Menschen werden nicht mehr als Menschen gesehen, sondern als potenzielle Gefährder der Gesundheit anderer. Misstrauen und Angst oder zumindest Zurückhaltung herrschen. Es hat sich vielen in unserem Zusammenleben verändert, ich fürchte, nachhaltig.
Um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, muss ich zunehmend meine Gesundheit beweisen.
In der Berliner Zeitung wird die Mainzer Rechtsanwältin Jessica Hamed zitiert, die eben diese Beobachtungen macht und dabei auch Politik und Gerichte kritisiert, die dies zulassen oder gar verstärken.
"Wir gehen von der Freiheit zur Sicherheit. [...] Dies führe jetzt in der Pandemie zu einer umfassenden Umkehr der Beweislast: „Die Menschen müssen beweisen, dass sie nicht krank sind. Alle werden als potentielle Gefährder angesehen. Alle müssen nun beweisen, dass sie für die Gesellschaft ungefährlich sind, was natürlich nicht geht.“ [...] „Um die Grundrechte zurückzubekommen, muss die Gesundheit nachgewiesen werden.“"Berliner Zeitung, 7.5.2021: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/anwaeltin-widerstand-aus-der-mitte-der-gesellschaft-waechst-li.157912
Bedenklich.
Update 12.08.2021: Robert Habeck spricht es ganz deutlich aus: "man hat nicht das Recht, dass alle Geimpften und der Rest der Gesellschaft und die Kinder dann Rücksicht darauf nehmen, weil man sich selbst entschieden hat, sein eigenes Leben und die Gesellschaft zu gefährden"https://www.zdf.de/nachrichten/politik/gruenen-co-chef-robert-habeck-im-zdf-sommerinterview-100.html.
Habeck behauptet also dreist: Ich entscheide mich explizit, die Gesellschaft zu gefährden!
Dabei muss ich zunächst für mich selbst entscheiden, welches Risiko ich für mich eingehe und was ich mit meinem Körper tun will. Bislang war es doch so: wenn ich Angst vor etwas habe (z.B. Krankheit), dann vermeide ich das Risiko dafür oder ich schütze mich selbst davor (z.B. durch eine Impfung). Ich habe nicht erwartet, dass andere etwas tun (was für sie ein Risiko bedeuten kann), nur damit ich keine Angst mehr zu haben brauche. Nun wird der Spieß umgedreht. Ich muss etwas tun, hauptsächlich um andere zu schützen. Denn wenn ich es nicht tue, dann bin ich Gefährder der anderen.
Ich bin schuld.
Bedenklich.
BILD kritisiert die Berliner Gesundheits-Senatorin, die an den Eltern vorbei minderjährige Schüler/innen direkt angeschrieben hat: "Hier wird Schülern ein schlechtes Gewissen gemacht! Denn das heißt im Umkehrschluss: Wenn Ihr Euch nicht impfen lasst, gefährdet ihr womöglich andere. Da Kinder aber nur sehr selten schwer an Corona erkranken und alle Erwachsenen mittlerweile ihr Impfangebot bekommen haben, kann der Schutz anderer kein Argument sein!" Und: "Kinder ab 12 Jahre (!) werden in die Verantwortung für mögliche Schulschließungen genommen! Impfen für offene Schulen, so lautet die Botschaft."https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/impfen-oder-schulschliessung-so-bedraengt-eine-berliner-senatorin-kinder-77352550.bild.html
Beklemmend, wie hier mit Schuld gearbeitet wird...